Veranstaltung: | Antrag an die Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen Nürnberger Land |
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Antragsteller*in: | Andreas Sperling (KV Nürnberg-Land) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.02.2022, 21:08 |
A1: Kein ICE-Werk im Bannwald
Antragstext
Im Namen des Ortsverbandes und der Marktgemeinderatsfraktion Bündnis 90 / Die
Grünen Feucht stelle ich folgenden
ANTRAG
Die Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen im Nürnberger Land
möge beschließen:
- Die Planung der Deutschen Bahn, im Bannwald gem. BayWaldG, auf FFH- und
Vogelschutzgebiet, in Natura 2000 Gebieten westlich von Feucht ein ICE-
Wartungs- und Ausbesserungswerk zu errichten, widersprechen in nicht
hinnehmbarer Weise unverzichtbaren ökologischen Zielen und dem
Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ von 2021.
- Die Flächenvorauswahl der Deutschen Bahn ist zurückzuweisen, der
Suchprozess im süddeutschen Raum neu zu starten.
- Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen im Nürnberger Land ist
aufgefordert, die Problematik im Kreistag auf die Tagesordnung zu bringen
und mit allen Kräften auf eine ablehnende Positionierung des Gremiums
hinzuarbeiten.
Begründung
Liebe Grüne im Nürnberger Land,
sicher habt ihr in den letzten Monaten schon mitbekommen, dass die Deutsche Bahn in Kürze ein Raumordnungsverfahren bei der Regierung von Mittelfranken beantragen wird, um drei Flächen in das Prüf- und Genehmigungsverfahren einzubringen. Auf einer der Flächen soll dann ein ICE-Wartungs- und Instandhaltungswerk gebaut werden, welches im Jahr 2028 in Betrieb gehen soll.
Eine Fläche liegt in der Nähe der Ortschaft Harrlach (Nahe Allersberg, Lkr. Roth) und zwei weitere direkt aneinander angrenzende Flächen liegen, unseren Landkreis betreffend, westlich von Feucht. Alle drei Flächen betreffen Bannwald, FFH- und Vogelschutzgebiet und Natura 2000 Gebiet, in Harrlach Wasserschutzgebiet (Wasserversorgung der Stadt Fürth).
Eine knappe Darstellung der bisherigen Vorgänge um die Standortsuche hat die Tageszeitung „Der Bote“ am 06.01.2022 veröffentlicht, welche ihr im Anhang zu diesem Antrag finden könnt. Um es kurz zusammenzufassen: Der Prozess hat bereits eine Vielzahl politischer Interventionen erfahren – auch schon bevor in 2019 der damalige Bundesverkehrsminister, der Ministerpräsident Bayerns und der Nürnberger Oberbürgermeister die Wahl Nürnbergs als Standort gefeiert haben, denn sonst hätten sich evtl. Politiker*innen in Baden-Württemberg feiern lassen können, wie wir aus zuverlässiger GRÜNER Quelle wissen.
Von Beginn an wird das betriebliche Layout des Werkes als zu flächenintensiv kritisiert, unsere Freund*innen der GRÜNEN Nürnberg haben in diesem Zusammenhang ein alternatives, flächensparenderes Betriebslayout von einem Fachbüro erarbeiten lassen und der Bahn vorgestellt. Auch der Bund Naturschutz auf Orts-, Bezirks- und Landesebene weist die von der Bahn vorausgewählten Flächen als nicht geeignet zurück, s. entsprechende Pressemitteilung im Anhang.
In Zeiten der vielschichtigen ökologischen Krisen ist es notwendig und wertvoll, dass wir zusammenstehen wie der Fels in der Brandung und den Verantwortlichen in der Politik (auch in unserer eigenen Partei), und bei der Bahn klar machen: Egal ob Harrlach oder Feucht – keine der verbleibenden Flächen kommt auch nur ansatzweise in Frage für die Errichtung des Werkes, denn überall müsste Wald, belegt mit mehrfachen Schutzstati gerodet werden, würde Natur unwiederbringlich zerstört.
„Das MUNA-Gelände ist ein artenarmer, wertloser Steckerlaswald!“ oder „Was nutzt die schönste Natur, wenn der Boden darunter verseucht ist“ So oder so ähnlich wird immer dann über das Areal geurteilt, wenn es um seine Nutzung als Mülldeponie, Gewerbegebiet oder aktuell, als Standort für das ICE-Wartungswerk geht. Wer so formuliert, entlarvt sich selbst als vollkommen ahnungslos. Und warum das so ist, möchten wir euch im Folgenden gerne erläutern:
Heinz Neudert vom LBV und Sebastian Haas vom BN waren im Juli zwei Tage und eine Nacht mit Genehmigung auf der Fläche und konnten sich mit eigenen Augen ein Urteil bilden. Sie haben viele Fotos mitgebracht, die wir im Anhang ergänzt haben, damit ihr alle sozusagen mal „durchs Schlüsselloch“ in die MUNA reingucken und euch eigene Eindrücke machen könnt.
Die Bäume sind aufgrund der Brandkatastrophe in 1946 zwar kaum älter als 70 Jahre, aber gehören über 20 verschiedenen Arten an, darunter viele Laubbaumarten, v.a. Pionierarten wie die Birke, Pappel und diverse Weiden. Kiefern stehen hauptsächlich entlang der Einzäunung. Außerdem Douglasien, Eschen, Buchen und Stieleichen. Pionierbaumarten haben mit 70-75 Jahren bereits ein für sie relativ hohes Alter erreicht und beginnen zu vergreisen. Das heißt: Starkäste sterben ab, Kronen brechen, die Bäume stürzen letztlich um. Da eine Waldbewirtschaftung nur von den gesichert entmunitionierten Wegen aus möglich ist, verbleibt viel stehendes Totholz in der Fläche. Das ist aus ökologischer Sicht wertvoll und verglichen mit konventionell bewirtschafteten Flächen ein Vorteil: Dadurch entstehen auf der MUNA - wie im Urwald - für Organismen im Totholz sehr gute Lebensbedingungen, also für Pilze, Insekten, über Käfer bis hin zum Specht.
Neben dem allseits bekannten schwarz-weiß-roten Buntspecht leben im Muna-Gelände auch die anspruchsvolleren, ähnlich gefärbten Arten wie der Mittelspecht und der Kleinspecht. Der große Schwarzspecht zimmert Höhlen, die gerne auch von Hohltauben, Fledermäusen oder Hornissen genutzt werden. Die „Schwesternarten“ Grünspecht und Grauspecht kommen ebenfalls beide in der Muna vor. Sie gelten als sogenannte „Bodenspechte“, die häufig auf Wiesen und Brachen im Boden nach Ameisen suchen. Und genau diese offenen Landschaften gibt es auf dem Muna-Gelände eben auch.
Die mit „Nato-Site 23“ benannte Fläche ist durch die Versiegelung mit einer Kuppel aus Lehm eine offene Heidefläche geworden. Hier finden Neuntöter, Baumpieper und auch Feld- und Heidelerchen einen sehr selten gewordenen Lebensraum, denn nirgends(!) in der Region gibt es sonst noch eine mehrere Fußballfelder große, trockene Heidefläche, die nicht gemäht und nicht begangen wird. Die in der MUNA ist einzigartig!
In dem Muna-Teilbereich „POL“, dem früheren Tanklager, sind mehrere tausend Quadratmeter Fläche mit Betonplatten versiegelt. Ein Teil dieser Fläche hat sich in ein Feuchtgebiet mit ausgedehnten Flachwasserbereichen entwickelt. Das ist ein regelrechtes Eldorado für verschiedene Frosch und Krötenarten, wie der Kreuzkröte, aber auch für zahlreiche Libellen und für Sumpfpflanzen mit hohem Lichtbedarf. Direkt angrenzend und etwas höher liegend existieren Flächen mit trocken-heißen Betonplatten, die nur spärlich von spezialisierten Flechten bewachsen sind. Hier fühlen sich Zauneidechse, Blindschleiche und auch Kreuzotter und Schlingnatter wohl.
Vor allem letztere sind besonders streng geschützte Reptilien, sie stehen mit dem Attribut „stark gefährdet“ auf der Roten Liste. Der zweite Schutzstatus kommt über die FFH Naturschutzrichtline der EU, hier gemäß Anhang Vier „streng zu schützen“ und als Drittes sind sie ebenfalls durch die Bundesartenschutzverordnung protegiert.
Diese Verzahnung von nassen und trockenen Biotopen auf engstem Raum ermöglicht den heutigen Artenreichtum auf den vorher vom Menschen so geschundenen Flächen.
Durch die Brandkatastrophe 1946 entstanden auch diverse Sprengkrater, die nicht alle verfüllt wurden. Etliche Bombentrichter füllten sich mit Regen- oder Grundwasser und sind heute Feuchtbiotope unterschiedlicher Größe und Gewässerrandstruktur. Hier können sich Sumpf- und Wasserpflanzen erhalten, die, wie zum Beispiel der Fieberklee, außerhalb der Muna nicht mehr zu finden sind.
Beim nächtlichen Begang konnten Neudert und Haas nicht nur die Ultraschallrufe von 4, wahrscheinlich eher 6 Fledermausarten aufnehmen, auch Glühwürmer waren zu sehen, junge Waldohreulen bettelten lautstark um Futter und das glockenartig klingende Rufen der Gelbbauchunken war zu hören. Weil wir für all diese Rote-Liste- und Flora-Fauna-Habitat-Arten eine besondere Verantwortung haben, wurden für die Flächen der MUNA und auch für die Waldflächen südlich davon bereits Vogelschutz- und Natura2000-Schutzgebiete ausgewiesen, zudem sind sie als Bannwald klassifiziert.
An dieser Stelle möchten wir einschieben: Viele wissen es sicher, aber hier werden „ferne“ EU-Prozesse für uns in der Region konkret: Seit Februar 2021 ist beim Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig. Es droht eine Verurteilung durch die Richter in Luxemburg und bei weiterem Nichtstun unter Umständen sogar Strafzahlungen. Dass Deutschland fast drei Jahrzehnte nach Inkrafttreten der FFH-Richtline und sieben Jahre nach Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens immer noch keine gebietsspezifischen Erhaltungsmaßnehmen festgelegt, geschweige denn umgesetzt hat, ist unfassbar und skandalös! Da geht es nicht um neue, zusätzliche Schutzgebiete – was auch sehr, sehr wichtig wäre, sondern erstmal „nur“ um das Umsetzen von Vorgaben, zu denen sich Deutschland bereits 1992 verpflichtet hat.
Das sind alles Informationen, die öffentlich zugänglich sind und somit auch der Bahn und allen Personen, die sich öffentlich äußern und meinen, die MUNA wäre eine minderwertige Fläche, welche keinen Nutzen hat. Wer fragt „Was nutzt…“, dem sei gesagt: Unser aller Nutzen besteht in der Nicht-Nutzung dieser Flächen und die oben beschriebenen ökologisch wertvollen Strukturen sind der beste Beweis dafür, dass die zweifelsohne vorhandenen Bodenbelastungen kein Hinderungsgrund für die Natur sind!
Weiter geht`s im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung, in dem es unter dem Punkt „Naturschutz und Biodiversität“ (beginnend S. 36) heißt: „Bundeseigene Flächen im Außenbereich haben für den Klimaschutz sowohl als potenzielle Standorte für Windkraft- und PV-Anlagen, als auch für die Biodiversität – wie z. B. Biotopverbund, Nationales Naturerbe, Wildnisgebiete, Gewässer- und Artenschutz – eine erhebliche Bedeutung und können die Entwicklung im ländlichen Raum unterstützen und einer nachhaltigen Nutzung zur Verfügung stehen. Hierfür geeignete Flächen werden künftig von der Privatisierung ausgenommen und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) übertragen, soweit sie sich noch nicht in deren Eigentum befinden.“ Die Bahn plant für beide potenzielle Standorte bei Feucht mit Flächen der BIMA – welche diese gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages jedoch nicht mehr privatisieren, d.h. an die DB AG verkaufen dürfte.
Wenn also dieser Koalitionsvertrag ernst genommen, die jahrzehntealten, aber bisher nicht ausreichend umgesetzten Naturschutzgesetze einen Sinn ergeben sollen und alles Bäume umarmen mehr sein soll als nur Symbolik, des grünen Images willen, ist es absolut offensichtlich: Die Rodung und Überbauung des Muna-Areals ist unverantwortlich und muss unterbleiben!
Und das gleiche gilt auch für den Wald südlich des Muna-Sperrgebiets. Der ist zwar weniger strukturreich und vermeintlich artenärmer, aber würde das ICE-Wartungswerk dort, also auf der Fläche nördlich des Jägersees gebaut, wäre die Tier- und Pflanzenwelt im Muna-Gelände von allen Seiten vom Nürnberger Reichswald abgeschottet: Die Zollhaustraße im Westen, A73-Zubringer im Süden, ICE-Strecke und A9 im Osten und Gewerbepark mit A6 im Norden.
Eine solche Isolation der Tier- und Pflanzenarten zwischen all der unüberwindbaren Infrastruktur fragmentiert die Populationen und führt langfristig zu ihrem Aussterben. Nicht nur Schlangen, Lurche und Eidechsen würden dadurch in der Sackgasse stecken, auch mobile Arten wie Hasen, Reh- und Schwarzwild und natürlich auch Fledermäuse und Vögel wären stark beeinträchtigt. Es gibt nämlich südlich des Jägersees einen wahren Hotspot für die Artenvielfalt: Die Krugsweiher. Die sind eine wahre Erfolgsgeschichte, es ist wirklich großartig, wie sich die ehem. Fischweiher im Zuge der Renaturierung entwickelt haben. Wer dort einmal spazieren geht, weiß wovon die Rede ist. Ein kleines Paradies für die Natur. Es ist davon auszugehen, dass besagte mobile Arten zwischen dem geschützten Gebiet MUNA und den Krugsweihern hin- und her wandern. Ein ICE-Werk und dessen Gleisanlagen, beides mit flächendeckender Ausleuchtung in der Nacht wäre ein unüberwindbares Hindernis.
Da es ja offenbar leider keine absolut undenkbare Option ist, Bannwald, FFH- und Vogelschutzgebiet, Natura 2000 Gebiete einfach platt zu machen, haben wir als GRÜNE Fraktion im Marktgemeinderat Feucht, unterstützt durch den BN und viele aufmerksame und für die Natur sensibilisierte Privatpersonen vorgeschlagen und durchgesetzt, der Regierung von Mittelfranken die Ausweisung dieser Waldgebiete zu Naturschutzgebieten vorzuschlagen. Wir haben dazu alle Kartierungen und alle dokumentierten Vorkommen von mindestens auf der Roten Liste stehenden Arten zusammengetragen und diesem Vorschlag zu Grunde gelegt.
Liebe Freundinnen und Freunde,
auf dieser Liste stehen nicht sieben, nicht siebzehn, nicht siebzig, sondern 87 geschützte Tiere, Insekten und Pflanzen. 87! Viele davon, wie beispielsweise die Gelbbauchunke, die Kreuzkröte oder bestimmte Fledermausarten sind von den Fachleuten als „planungsrelevante Arten“ betitelt und gefürchtet. Die meisten Fraktionen im Gemeinderat sind unserem Vorschlag gefolgt und demnach hat der Markt Feucht die entsprechenden Dokumentationen mit einer starken, über drei Seitigen langen Begründung an die Höhere Naturschutzbehörde geschickt. Wir sind sehr gespannt auf die bislang noch nicht erfolgte Reaktion und werden euch berichten, wenn es dazu etwas Neues gibt.
Wenn man sich jetzt also all diese ökologischen Aspekte vor Augen führt und sich nochmal an die 87 geschützten Arten erinnert, stellt sich natürlich die Frage: Was ist das alles eigentlich wert? Ist es ein „nice to have“, dass diese 87 Arten noch nicht ausgestorben ist? Eine Gelbbauchunke kann man weder melken noch essen, bei der Fledermaus schaut`s nicht anders aus.
Man kann die Krise der Artenvielfalt als ein großes Netz begreifen. Dieses Netz trägt die Menschheit auf diesem einen Planeten, den wir haben. In diesem Netz repräsentiert jede Art, jedes Tier, jede Pflanze einen Knoten. Verschwindet eine Art - verschwindet der Knoten. Das geht für eine gewisse Zeit gut, aber wir sind nun inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem es kritisch wird. Zum einen werden die Löcher immer größer und zum anderen werden die verbleibenden Knoten mehr und mehr belastet.
Am Beispiel der Insekten gibt uns die sogenannte Krefelder Studie erschreckende Antworten. Diese ist deswegen so besonders und auch aussagekräftig, weil sie über sage und schreibe 27 Jahre hinweg Daten erhoben hat, die letztlich nachweisen, dass es in Deutschland seit 1989 einen Rückgang der Fluginsektenmasse um drastische 73% und im Hochsommer von sogar 82% gibt. Zu den gewichtigsten Ursachen zählen - neben dem Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, der hier im Reichswald eher nicht das Thema ist, zwei Punkte, die auch das ICE-Werk verursachen würde: Zu viel künstliche Beleuchtung (was im Übrigen dem „Versöhnungsgesetz“ in Folge des Bürgerbegehrens „Rettet die Bienen“ widerspricht, da selbiges künstliche Beleuchtung im Außenbereich ausschließt) und der Entfall der natürlichen Lebensräume.
Bei einer Kundgebung und Infoveranstaltung am Jägersee in Feucht hat unser Parteifreund Klaus-Peter Murawski, inzwischen 1. Vorsitzender des BN Nürnberg über das Missverhältnis der Werte in den Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren gesprochen. Er hat richtigerweise kritisiert, dass die für ein gutes und gesundes Leben und überhaupt für das Überleben von Menschen und Natur so wichtigen Funktionen wie Sauerstoffproduktion, das Reinigen der Luft von Staub und Ultrafeinstaub, der vor allem vom Straßenverkehr emittiert wird, die CO2-Bindung keinen Preis haben, da schickt uns die Natur keine Rechnung, die irgendwer bezahlen muss.
Wenn Waldflächen wertmäßig beurteilt werden, passiert das immer mit dem Maßstab der forstwirtschaftlichen Nutzung. Diese ist tatsächlich jedoch nur ein Bruchteil dessen, was Wald tatsächlich für uns alle schafft!
Worüber in all diesen Diskussionen und Abwägungen leider so gut wie nie gesprochen wird, sind die sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“. Neben der Grauen Infrastruktur (Straßen, Kraftwerke, Gebäude, etc.), der Blauen Infrastruktur (Gewässer, Grundwasser) und der Bildungsinfrastruktur (Wissen, Erfahrungen) stellen Wälder als wesentlicher Teil der Grünen Infrastruktur für uns unverzichtbare Bestandteile unserer Lebensgrundlagen und unserer Volkswirtschaft eben als Ökosystemdienstleistungen in vier Gruppen bereit:
1. Versorgungsleistungen: Also die Bereitstellung natürlicher Ressourcen wie Nahrung, Wasser, Holz, Brennstoffe, Fasern oder pharmazeutische Wirkstoffe.
2. Regulierungsleistungen: Das ist Regulierung des Klimas und des Wasserhaushaltes, die natürliche Reinigung von Wasser und Luft und die Regulierung der Ausbreitung von Krankheiten – Corona lässt grüßen!
3. Kulturelle Dienstleistungen: Nutzen der Natur für unser seelisches Wohlbefinden, etwa die Schönheit der Natur. Ihre spirituellen Wirkungen und die Bedeutung für den Freizeit- und Erholungswert.
4. Unterstützende Leistungen: Stoffkreisläufe, Bildung von fruchtbarem Boden, Primärproduktion d.h. die Produktion von Biomasse
All diesen bisher als immateriell bezeichneten und durch die Menschheit komplett selbstverständlich genutzten Dienstleistungen des Ökosystems, kann man und sollte man aber genauso Preisschildchen verpassen. Im Rahmen verschiedener Studien wurden und werden Wertansätze ermittelt, die für die einzelnen Ökosystemdienstleistungen aufsummiert werden können. Um mal ein paar Beispiele zu nennen:
Wissenschaftler berechneten anhand 17 ausgewählter Ökosystemdienstleistungen einen globalen Wert von mindestens 33 Billionen US-Dollar pro Jahr – mal als Verhältnis: Das GLOBALE Bruttosozialprodukt im Jahr 2020 betrug 84,5 Billionen. In den USA beträgt die Leistung der Insekten durch Pflanzenbestäubung, als Grundlage der Nahrungskette, durch natürliche Schädlingsbekämpfung und die Einarbeitung des Dungs von Weidetieren in den Boden einen Wert von mindestens 57 Milliarden US-Dollar pro Jahr
Der Beitrag der Bodenorganismen – vor allem der Regenwürmer – zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und des Nährstoffkreislaufs in Irland wird mit 1 Milliarde Euro pro Jahr geschätzt.
Zahlen zum Wald: Die Stadt Remscheid hatte 2016 schon die Ökosystemleistungen ihrer Waldflächen im Stadtgebiet, das sind rd. 2.250 ha, ermittelt und kommen auf einen jährlichen Wert von über 26,5 Mio. €, das sind 11.700€ pro Hektar. Das ist ein 38x höherer Wert, als wenn – wie bisher üblich – rein die Holznutzung als Wertannahme für Wald zugrunde gelegt wird.
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir wissen nicht, ob das irgendetwas an eurer zweifelsohne sehr hohen Einschätzung zum Wert des Waldes verändert, aber eines wird aus unserer Sicht schon etwas greifbarer: Wald hat einen immensen Wert und Einfluss darauf, wie gut oder schlecht unser Leben ist! Nicht nur in Remscheid oder Feucht, oder beim drohenden Sandabbau in Altdorf und der inzwischen erfreulicherweise abgewendeten Bannwaldrodung in Lauf, sondern auf dem gesamten Planeten! Und: Es wird insgesamt immer noch brutal fahrlässig mit diesem Schatz umgegangen.
Es wäre wesentlich realistischer und zukunftsgerichteter und somit dringend notwendig, große Entscheidungen der vorhin sogenannten Grauen Infrastruktur unter den Maßstäben und Wertansätzen der Ökosystemdienstleistungen zu treffen und abzuwägen! Darüber wird bisher nicht, bzw. nicht oft genug gesprochen, das „weiter wie bisher“ ist die Konsequenz. Leute, das können wir uns nicht länger leisten!
Wir Grüne sind in der Verantwortung – nicht nur, aber auch nicht zuletzt als eine Partei, die inzwischen an der Regierung beteiligt ist und der die Öffentlichkeit sehr genau auf die Finger schaut, um zu prüfen, ob die an sie vergebenen Stimmen verantwortlich eingesetzt werden. Auch wir Grüne im Nürnberger Land haben bei der Bundestagswahl das Vertrauen von deutlich mehr Menschen gewinnen können und sind jetzt folgerichtig in der Verantwortung, die Verantwortlichen damit zu konfrontieren, dass wir uns das „weiter wie bisher“ nicht mehr leisten dürfen und stattdessen die Ökosystemleistungen, das Naturkapital ins Gespräch und vor allem in die Abwägung zu bringen – aber wir sind bisher zu leise! Lasst uns genau mit diesem Antrag hier, heute und jetzt damit anfangen, laut zu werden und selbstbewusst unsere Verantwortung wahrnehmen!
Liebe Freundinnen und Freunde,
Es ist natürlich ein Dilemma, in dem wir Grüne hier stecken. Wir alle wissen und wollen, dass eine attraktive Bahn die Verkehrswende ermöglicht und sie voranbringt! Dass dafür mehr ICEs und in Konsequenz auch mehr Wartungskapazität notwendig ist, steht außer Zweifel. Aber dieses Wissen und dieser Standpunkt darf nicht in einem unreflektierten Freibrief für das privatwirtschaftlich rechnende und planende Staatsunternehmen Bahn münden. Auch und vor allem die Bahn, die sehr gerne den „Klimaschützer ICE“ bewirbt, darf nicht Klimaschutz und Verkehrswende gegen die globale ökologische Krise ausspielen, das günstigste betriebswirtschaftliche Wartungskonzept einem gesunden Ökosystem vorziehen. Intakte Bannwald-, Vogelschutz- und FFH-Gebiete zahlen auf das globale Konto ein – genauso wie der Regenwald Brasiliens, die Urwälder Rumäniens und natürliche, unbegradigte Flussverläufe. Die richtigen Dinge brauchen selbstverständlich auch den richtigen Ort! So wie wir uns trotz Frisch- und Abwasseranschluss in der Küche unser Klo nicht dort, sondern in extra Zimmerchen montieren, so gehört das ICE Werk zum einen sinnvoll dimensioniert und zum anderen auf bereits der Natur entnommene Flächen gebaut.
Die offiziellen und gesetzlichen Auswahl- und Planungsverfahren wie das Raumordnungs- und im nächsten Schritt das Planfeststellungsverfahren haben noch nicht begonnen, wir stehen heute also noch absolut am Anfang eines Zeitraumes, in dem wir noch viel Energie und vor allem viele Unterstützer*innen brauchen werden.
Daher, liebe Freund*innen, kämpfen wir für den Wald, den wir so dringend brauchen, der so viel mehr ist, als nur eine Rohstoffplantage und bitten euch herzlich und dringend um Unterstützung für diesen Antrag und sind selbstverständlich jederzeit für eure Fragen ansprechbar!
Andreas Sperling
für:
OV Feucht
MGR Fraktion Feucht
Die in der Begründung angesprochenen Anhänge können hier im Antragsgrün leider nicht angefügt werden. Wir haben diese daher per E-Mail an alle Ortsverbände verschickt, mit der bitte um entsprechende Weitergabe an alle Mitglieder. Die Dateien sind AUCH in der Grünen Wolke auf folgendem Pfad für euch bereit gestellt:
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